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Menschen

In einem Dorf

Ich habe einen Freund. Wir stehen uns nahe, denn vieles verbindet uns.

Wir wohnen im gleichen Dorf.
Wir sind gleich alt.
Wir haben beide studiert.
Wir haben ähnliche Interessen.
Wir sprechen (u.a.) die gleiche Sprache.

Vor lauter Gemeinsamkeiten denke ich manchmal, er ist wie ich … eine Wellenlänge und so. Genau in diesen Momenten der Vertrautheit schlägt sie dann voll durch. Regelmäßig! Die Erkenntnis, dass uns nichts verbindet. Zumindest nichts Wichtiges. Wir haben keinen gemeinsamen Erfahrungshorizont. Ganz im Gegenteil. Unsere Erfahrungen könnten unterschiedlicher nicht sein.

Ich kenne keinen Krieg.
Ich weiß nicht, wie es klingt, wenn Bomben einschlagen.
Ich habe niemanden in meinem Freundeskreis, der gefoltert wurde.
Ich habe eine Familie, die in Sicherheit lebt.
Ich hatte noch nie in meinem Leben Angst davor verschleppt zu werden.

Genau genommen, hatte ich noch nie besonders viel Angst in meinem Leben. Wenn man mal von den Gespenstern unter meinem Bett absieht, als Kind. Oder die Angst, nicht gemocht zu werden, als Jugendliche. Heute bin ich wirklich keine besonders mutige Person, aber Angst? Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger kommt sie vor in meinem Leben. Richtige Angst. Es gibt da ein tiefes Gefühl der Sicherheit in mir und der Zuversicht, dass alles – auch in kritischen Situationen – schon irgendwie gut werden wird. Das war bisher so meine Erfahrung.
Meine Erfahrung in meinem recht bequemen und komfortablen Leben voller Möglichkeiten und Chancen.

Er hatte die Chance zu fliehen und hat nun wenige Möglichkeiten.
Er fühlt sich nicht sicher.
Er hat Alpträume – immer noch.
Er weiß nicht, wie es weiter geht.

Wir leben im gleichen Dorf. Er hat Angst und ich habe sie nicht. Ich kann dieses Gefühl kaum nachvollziehen und doch versuche ich ihn zu verstehen, versuche die Fremdheit zu überwinden ohne sie zu ignorieren. Zu uns gehört, dass was uns verbindet und das was uns trennt.

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