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Interview mit Deichdeern
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Interview mit der Deichdeern

Landweiliges Landleben? Von wegen!

Neulich hatte ich das große Vergnügen Julia Nissen vom Blog Deichdeern kennen zu lernen. Das hat mich total gefreut, denn ich mag ihren Blog über das Landleben sehr. Julia lebt mit Mann und Kind im hohen Norden auf dem Dorf und arbeitet im Bereich Landwirtschaft. Nebenbei schreibt sie über ihr gar nicht langweiliges Landleben, über ihre Entdeckungen in der Nachbarschaft, über tolle Frauen mit guten Ideen, über Kreatives, übers Mama-sein und manchmal auch über landwirtschaftliche Themen, aber mit einer Schleife drum, so dass es jeder versteht und oft sehr witzig ist. Apropos witzig, bei ihren Insta-Stories lache ich mich regelmäßig schlapp. Ganz große Empfehlung 😉

Aber nun, vier Fragen an die Deichdeern:

Was macht das Landleben so spannend für dich?

Es sind die Menschen, die es so spannend machen. Man unterstützt sich gegenseitig und ist bestens vernetzt. Die Kinder können sich austoben und haben ein besonderes Verhältnis zur Natur. Das verleiht ihnen eine gewisse Selbständigkeit. Und, was ich auch toll finde, man achtet auf einander. Wenn ich außer Haus bin, schauen die Nachbarn nach dem Rechten und genau so ist es umgekehrt. Gegenbeispiel: Als ich damals in Berlin gelebt habe, hätte ich drei Wochen tot in der Wohnung liegen können ohne, dass es irgendjemand gemerkt hätte. Das würde auf dem Land nicht passieren.

Und was nervt?

Bis vor kurzen nervte mich die schlechte Internetverbindung, aber das ist nun auch passé. Seit Weihnachten 2016 sind wir ans Glasfasernetz angeschlossen und „high speed“ unterwegs. Ansonsten nervt, dass manche Straßen so holperig sind. Ich hatte bis vor kurzem ein altes BMW Cabrio. Da waren regelmäßig die Federn gebrochen. Nun gut, entsprechend habe ich meine Karre jetzt angepasst.

Zieht es dich manchmal nicht auch in die Stadt?

Na klar, gerne sogar. Ich brauch die Balance aus Stadt und Land. In der Stadt lasse ich mich inspirieren hinsichtlich Trends. Ich möchte mich schließlich nicht abhängen lassen. Ein Blick über den Tellerrand ist für mich und meine persönliche Entwicklung extrem wichtig.

Deichdeern

Landwirtschaft macht Spaß, weil…

… hinter jedem Erzeugnis ein Mensch steht. Und dahinter wiederum eine Bauernfamilie, die seit Generationen in der Landwirtschaft tätig ist. Ich sehe folglich nicht nur das Produkt, sondern weiß wie viel Kraft, Mühe und Fleiß, aber auch Geduld in der Herstellung steckt. Ich vertraue unseren Bauern sehr und vermittle dieses Vertrauen und die Wertschätzung auch an unser Kind weiter.

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Meine Tochter – meine Lehrerin

Es gibt nur eine Sache bei der ich relativ schnell die Nerven verliere und das ist die Ungeduld meiner Tochter. Damit treibt sie mich regelmäßig zur Weißglut. Und diese Ungeduld hat sie von mir. Kinder können einem so schonungslos den Spiegel vorhalten. Ich mag meine Ungeduld nicht, weder an mir, noch an ihr, aber wenn sie für irgendetwas gut ist, dann dafür, dass sie mir zeigt, wie sehr ich Vorbild bin. Oder besser Vor-Macherin, ich mache vor – sie macht nach. Egal was. Auch meine schlechten Seiten.

In letzter Zeit denke ich immer öfter, dass ich ihr gerne mehr nach-machen möchte. Sie hat so viele Eigenschaften und Fähigkeiten, auf die ich richtig neidisch bin:

  • Ins eigene Tun versinken
  • Im Moment leben
  • Steine und Schneckenhäuser als Schätze ansehen können
  • Sich über ein Bonbon unendlich freuen
  • Die Zuversicht, dass alles möglich ist
  • Der Blick für die kleinen Dinge
  • Sagen was man denkt
  • Unfähigkeit zu lügen
  • Aufs Bauchgefühl hören

Besonders gerne würde ich mehr im gegenwärtigen Moment leben. Im Hier und Jetzt und nicht schon mit dem Kopf in der Planung der nächsten Woche stecken. Das fällt mir wirklich schwer. Sie jedoch, kann gar nicht anders als im Jetzt zu sein. Was morgen ist? Interessiert sie nicht!

„Kinder sind unsere wirklichen Lehrer.
Lerne ihnen zuzuhören –
sie erzählen dir von der Schönheit und der
Sorglosigkeit, die du nur im gegenwärtigen
Moment wiederfindest.“
Tibetische Weisheit


Ich frage mich, wie ich ihr diese Fähigkeit erhalten kann? Wie schaffe ich es, dass sie ein achtsamer Mensch bleibt? Was kann ich tun, dass sie als Erwachsene kein Achtsamkeitstraining besuchen muss (so wie ich) und dieses Bewusstsein erst mühsam wieder einüben muss? Hab ich da überhaupt ausreichend Einfluss oder gewöhnen Schule und Gesellschaft eh alles ab?
Eigentlich egal. Ich habe nur die eine Möglichkeit. Ich möchte ein achtsames Vorbild sein und das gelingt mir oft am besten indem ich ihr nach-mache.

  • Ich bleibe auch stehen, bewundere ausdauernd den Regenwurm und scheuche sie nicht weiter.
  • Ich versuche so viel am Wegesrand zu entdecken, wie sie.
  • Ich schaue die Dinge an, als würde ich sie zum ersten Mal sehen.

Mit Kinderaugen sehen, eröffnet so viele Möglichkeiten. Mir hilft das sehr bei der Arbeit auf dem Hof. Wie oft sind wir in unsere Vorstellungen eingefahren, meinen wir zu wissen, wie es sein muss und glauben alle Möglichkeiten zu kennen. Wenn man Dinge anders machen möchte und neu in die Hand nehmen will, dann sind Kinder die besten Lehrer.

„Im Geist eines Anfängers gibt es
unendlich viele Möglichkeiten,
im Geist eines Experten nur wenige.“
Shunryu Suzuki

Kinder brauchen Langeweile
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Warten auf das Christkind

Sonntag wurde die erste Kerze angezündet und die Anzahl der Termine in unserem Kalender steigt sprunghaft an. Nur schöne Termine versteht sich. Es ist schließlich Advent. Angestrengt versuche ich mich nicht durch sie gestresst zu fühlen. Ruhe und Besinnlichkeit eine Chance zu geben. Gar nicht so einfach, wenn immer etwas ist.

Ich stelle fest, die besinnlichste Zeit beginnt bei uns um 17Uhr. Alle beschweren sich, dass es so früh dunkel wird. (Das habe ich bestimmt auch schon gemacht.) Aber jetzt bin ich froh über diese Dunkelheit. Wir können dann nämlich draußen nichts mehr arbeiten und gehen rein. Machen es gemütlich, zünden Kerzen an, spielen in Ruhe, bestaunen den Kranz oder zählen Kläppchen. Vielleicht basteln wir auch noch etwas. Wie wir Lust haben. Große Projekte lohnen sich nicht angefangen zu werden – das Abendbrot wartet. Die perfekte Zeit! Ohne Ansprüche.

Dann denke ich, es müsste mehr davon geben. Mehr Stunden in denen nichts ist. Vermutlich kann es sie nicht geben, weil ich alles immer sofort verplane, sobald sich ein größeres Zeitfenster auftut.
In der letzten Zeit frage ich mich häufig, inwieweit ich eigentlich mein Kind mit verplanen darf? Wie viele Termine sind in der Woche erlaubt? Wie viel Programm soll es sein und wie viel Zeit bleibt für das Freispiel in Ruhe und allein?

Kinder brauchen Langeweile.

Ich glaube nicht, dass es gut ist Kinder die ganze Zeit zu bespielen und ihnen möglichst viel an Entertainment zu bieten. Ihnen muss auch mal langweilig sein. Nietzsche schreibt von der „Windstille“ der Seele, die es braucht um kreativ zu werden. Kinder brauchen diese Ruhe, um sich selber etwas ausdenken zu können. Wenn immer direkt ein Erwachsener angesprungen kommt und eine Bespaßung liefert, um die „schreckliche“ Langeweile gar nicht aufkommen zu lassen, kann nichts entstehen. Wir verhindern damit ganz viel.

Ich weiß gar nicht, wann ich selber das letzte Mal Langeweile empfunden habe. Vielleicht im Krankenhaus oder beim Warten in einer Behörde. Wahrscheinlich war mir aber gar nicht langweilig, weil ich versucht habe die Zeit zu nutzen: Nachrichten verschicken, lesen, schreiben, irgendwas.
Dumm eigentlich. Stattdessen hätte ich besser nichts tun sollen. Beim Warten die Windstille im Kopf zulassen und so Raum für Neues ermöglichen. So, wie ich es meinem Kind wünsche.

 

Hatte die Adventszeit nicht auch etwas mit warten zu tun? Warten auf das Weihnachtsfest, auf den der da kommt? Freudiges erwarten. Nicht stressiges. Gar nicht so einfach. Aber ich probiere es jeden Tag, ab 17Uhr 😉

Angst Blogger für Flüchtlinge
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In einem Dorf

Ich habe einen Freund. Wir stehen uns nahe, denn vieles verbindet uns.

Wir wohnen im gleichen Dorf.
Wir sind gleich alt.
Wir haben beide studiert.
Wir haben ähnliche Interessen.
Wir sprechen (u.a.) die gleiche Sprache.

Vor lauter Gemeinsamkeiten denke ich manchmal, er ist wie ich … eine Wellenlänge und so. Genau in diesen Momenten der Vertrautheit schlägt sie dann voll durch. Regelmäßig! Die Erkenntnis, dass uns nichts verbindet. Zumindest nichts Wichtiges. Wir haben keinen gemeinsamen Erfahrungshorizont. Ganz im Gegenteil. Unsere Erfahrungen könnten unterschiedlicher nicht sein.

Ich kenne keinen Krieg.
Ich weiß nicht, wie es klingt, wenn Bomben einschlagen.
Ich habe niemanden in meinem Freundeskreis, der gefoltert wurde.
Ich habe eine Familie, die in Sicherheit lebt.
Ich hatte noch nie in meinem Leben Angst davor verschleppt zu werden.

Genau genommen, hatte ich noch nie besonders viel Angst in meinem Leben. Wenn man mal von den Gespenstern unter meinem Bett absieht, als Kind. Oder die Angst, nicht gemocht zu werden, als Jugendliche. Heute bin ich wirklich keine besonders mutige Person, aber Angst? Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger kommt sie vor in meinem Leben. Richtige Angst. Es gibt da ein tiefes Gefühl der Sicherheit in mir und der Zuversicht, dass alles – auch in kritischen Situationen – schon irgendwie gut werden wird. Das war bisher so meine Erfahrung.
Meine Erfahrung in meinem recht bequemen und komfortablen Leben voller Möglichkeiten und Chancen.

Er hatte die Chance zu fliehen und hat nun wenige Möglichkeiten.
Er fühlt sich nicht sicher.
Er hat Alpträume – immer noch.
Er weiß nicht, wie es weiter geht.

Wir leben im gleichen Dorf. Er hat Angst und ich habe sie nicht. Ich kann dieses Gefühl kaum nachvollziehen und doch versuche ich ihn zu verstehen, versuche die Fremdheit zu überwinden ohne sie zu ignorieren. Zu uns gehört, dass was uns verbindet und das was uns trennt.

Interview mit Landmama Anja
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Moderne Bäuerin, Landmama und noch vieles mehr

Interview mit Landmama Anja. Mutter von drei Kindern, Managerin, Köchin, Organisatorin, Pädagogin, Bäuerin. Und was sie sonst noch so macht, lest ihr hier:

 

Du hast studiert (nicht Landwirtschaft) und die halbe Welt bereist. Nun lebst du in einem kleinen Dorf bei Paderborn aufm Hoff – so richtig! Mit vielen Tieren, Obst- und Gemüseanbau, solidarischer Landwirtschaft, Bauernhoferlebnispädagogik, Hofladen und und und (Die Hofpage findet ihr hier).

 

  • Wie gefällt dir das Landleben?

Gut, aber eigentlich merke ich das immer nur dann, wenn ich bei anderen Leuten in der Stadt zu Besuch bin. Wenn ich zuhause bin, nervt es mich manchmal.

 

  • Siehst du dich als Bäuerin?

Für mich waren Bäuerinnen immer die mit Kittelschürze und Kopftuch. So bin ich natürlich nicht. Einmal hat ein Kind, dass auf unserem Hof war und meinen Namen vergessen hatte, gesagt: Frau Bäuerin, ich hab da mal ne Frage. Ja, wahrscheinlich bin ich auch ein bisschen zur Bäuerin geworden. Ich mache halt eher PR und Büroarbeit, aber das gehört eben auch dazu.

 

  • Wie sieht dein Alltag aus?

Jeden Tag anders. Aber in der Regel stehen wir etwa um sieben Uhr auf (wir haben ja zum Glück keine Milchkühe, die gemolken werden müssen). Die Kinder gehen um halb acht in den Kindergarten und dann ist es sehr unterschiedlich. Ich versuche am Wochenende den Essensplan für die ganze Woche zu machen und gucke wer wann da ist an Mitarbeitern und Freiwilligen. Zum Mittagessen sind wir immer 8-9 Personen. Montags kaufe ich dann schon möglichst viel ein.
Morgens versuche ich erst immer das gröbste an Unordnung zu beseitigen, was sich den Tag über mit drei Kindern angesammelt hat. Wenn die Kleinste dann schläft, versuche ich so viel Büroarbeit wie möglich zu machen. Denn am Nachmittag, wenn die Kinder aus dem Kindergarten kommen, sind wir einfach ganz viel draußen. Ich versuche so weit es geht am Nachmittag auf dem Hof mitzuhelfen. Die Naturpädagogik ist ja meins. Da mache ich allerdings momentan vor allem die Organisation und das Konzeptionelle und natürlich die Betreuung der Mitarbeiter. Beim Jahreszeitenkurs, den wir in diesem Jahr begonnen haben, mache ich aber auch mit.
Insgesamt bin ich wohl für das drum herum zuständig. Telefon, Büroarbeit, Mails beantworten, Kinderbetreuen, einkaufen gehen, kochen, …

 

  • Was machst du davon am liebsten und was magst du gar nicht?

Das ist unterschiedlich. Ich mache total gerne die Bildungsarbeit und auch die Öffentlichkeitsarbeit. Eigentlich würde ich auch gerne bloggen, aber dafür fehlt mir die Zeit. Ich fuchse mich außerdem in die Buchhaltung ein. So Finanzgeschichten finde ich gar nicht so langweilig, wie ich immer dachte. Früher habe ich mehr richtig mitgeholfen auf dem Hof. Das fehlt mir so ein bisschen. Aber das ist halt total schwierig mit Kindern. Da kann man nicht auf Dächer klettern. Steckdosen anschrauben in der Wohnung mache ich wohl noch, aber ansonsten wird’s schwierig. Ich bin lange keinen Trecker gefahren. Das ist schade. Ich würde da auch gerne noch mehr lernen. Aber ich verschiebe das einfach. Das kann ja auch noch kommen.
Schwierig finde ich, dass es keine Pausen gibt. Mein Mann ist halt ein absoluter Workaholic. Der hat Energie von hier bis Castrop-Rauxel. Und ich hätte halt gerne auch mal eine Auszeit. Im Sommer ist es besonders schwer, denn da arbeitet er immer so lange es hell ist. Ich würde auch gerne mal wieder weg fahren oder einen Ausflug um des Ausflug willen machen und nicht, um sich irgendwo einen Schlepper anzugucken.

Der Sonntag unterscheidet sich oft nur dadurch von den Werktagen, dass dann eine saubere Arbeitshose angezogen wird.

  • Wie sehr sehnst du dich nach städtischer Anonymität?

Wir stehen halt sehr unter Beobachtung. Wir sind die Biobauern mitten im Dorf. Zu so einem Hofleben, wie wir das führen hat jeder eine Meinung. Nicht, dass wir uns sehr danach richten, was die Leute sagen, aber es strengt manchmal schon an.

 

  • Mal grob über den Daumen geschätzt: Wie viele Menschen erziehen/ betreuen deine Kinder mit?

Meine Schwiegereltern, mein Schwager und Inge, eine Freundin, die mit auf dem Hof lebt. Das sind schon mal vier Leute, die die Kinder ständig sehen und wo sie sagen: Mama, du bist blöd. Ich geh jetzt zu Inge. Oder: Dann esse ich halt bei Oma – Schokolade. Dann haben wir halt noch Mitarbeiter und viele Freiwillige (Wwoofer). Die Freiwilligen kommen aus aller Welt und arbeiten bei uns. Insgesamt sind es bestimmt fünf bis zehn Personen, die die Kinder mit betreuen. Dabei ist es mir schon wichtig, dass die Kinder wissen wer Mama und Papa sind (und wer das letzte Wort hat). Ich will jetzt nicht so kommune mäßig leben, wo alle gleich sind.

Interview Landmama Anja

Hier noch Landmama von zwei Kindern.

  • Was können Kinder auf eurem Hof entdecken?

Hühner, Enten, Pferde, Schafe, Katzen und Rinder. Und neuerdings, durch die Solidarische Landwirtschaft, auch einen Folientunnel und Gemüse. Das ist auch spanend was da so wächst. Eine Obstwiese mit vielen Obstbäumen. Einen Heuboden. Natürlich Trecker und alles mögliche an Gerätschaften. Seit einiger Zeit schicken wir die Eltern bei Kindergeburtstagen nach Hause. Wir feiern nur noch ohne Elternbegleitung. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Eltern den Kindern häufig Dinge abnehmen. Die meinen das ja nicht böse. Aber wenn die Leiter sehr steil ist und das Kind sich nicht zutraut dort hochzuklettern – schwups, ist es hoch getragen. Ihm die Zeit zu geben, es doch mal zu versuchen, ist dann nicht möglich. Neulich hatten wir eine Kindergartengruppe da, die die Kühe nicht füttern durften, weil in dem Zaun Strom war. Aber wenn man mit dem Grashalm an den Zaun kommt, dann ist das eben auch eine Erfahrung, dass das so pitzelt. Da fällt niemand tot um. Aber dadurch, dass die meisten Erwachsenen selber keinen Kontakt zur Landwirtschaft haben, gibt es da Ängste, die ich nicht teilen kann. Wenn ich an meine Kindheit denke, dann mussten wir um sechs Uhr zuhause sein, weil es dann Essen gab. Bis dahin sind wir ohne Aufsicht durch Wald und Wiese. Das gibt es heute nicht mehr. Ich möchte, dass unser Hof ein Ort ist, auf dem Kinder ohne elterliche Aufsicht (nicht ganz ohne Aufsicht) Abenteuer erleben können. Das sie Sachen ausprobieren können und dann fällt man mal volle Kanne in die Matsche.

 

  • Du bist eine echte Landmama (von drei Kindern), welche Vor- und Nachteile siehst du für deine Kinder darin, dass sie auf einem Bauernhof aufwachsen?

Mein Mann sagt immer, dass er es gehasst hat auf dem Trecker zu sitzen, wenn alle anderen am Baggersee lagen. Im Moment sind sie noch klein, da können sie laufen und sich schmutzig machen – ich glaube, dass ist ein großer Spaß. Ein bisschen Angst habe ich vor Hänseleien, wenn sie groß sind (nach dem Motto, du Bauerntrampel und so). Gerade kommen alle gerne zu uns. Bei uns ist was los, da gibt es was zu tun, es gibt Tiere. Das finden alle gut. Manchmal mache ich mir sorgen, weil ich so wenig Zeit habe. Die Kinder laufen halt mit. Das ist einerseits gut, weil sie den Alltag mitbekommen, aber manchmal müsste ich mir mehr gezielt Freiräume schaffen, um mit den Kindern zu basteln oder zu malen. Das mache ich zwar auch, aber wahrscheinlich machen andere das noch häufiger. Auch nehme ich mit ihnen nicht an irgendwelchen Kursen teil – Musik oder turnen oder so. Theoretisch bietet der Hof genug Programm für sie, aber vielleicht fehlt ihnen das irgendwann. Wir kommen hier halt nicht oft weg.

 

  • Was ist dir wichtig an deine Kinder weiterzugeben?

Das ist schwierig. Die gucken sich eh alles von mir ab. Also muss ich authentisch sein und dass ich nicht perfekt bin, sollen sie auch wissen. Ich hätte gerne glückliche, zufriedene Kinder. Egal, was sie mal machen. Ich weiß gar nicht, wie ich das weitergeben soll oder vermitteln kann. Klar ist bei uns Nachhaltigkeit ein großes Thema, da sprechen wir oft drüber. Außerdem bekommen sie viele unterschiedliche Leute mit und ich möchte gerne offene Kinder haben, die vorurteilsfrei durch die Welt marschieren. Das ist ein riesen Vorteil unseres bunten Hoflebens.

Die Welt, die wir den Kindern hinterlassen, hängt sehr stark davon ab, was für Kinder wir der Welt hinterlassen.

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Landwirt Otti und Co

Mit den Landwirten ist das ja so eine Sache.

Man kennt sie aus der Presse oder in echt jammernd, klagend über Schweinepreise, die Milch und was es sonst noch alles Bedauernswertes gibt.
Umgekehrt klagen die Presse und viele andere Menschen über die Landwirte: Massentierhalter, Bodenverseucher usw. Ein ungutes Verhältnis hat sich entwickelt. Eines was fast schon keines mehr ist. Man spricht nicht miteinander, sondern übereinander. Absurde Fronten haben sich gebildet (Wir haben es satt vs. Wir machen euch satt). Und warum?

Ja, warum eigentlich? Wie konnte das nur passieren?

Die Bauern haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht um ihr Image gekümmert und sich auf ihrem guten Ruf aus alten Zeiten ausgeruht.

Öffentlichkeitsarbeit zählte nicht zu ihren Aufgaben. Sie haben ja schließlich genug zu tun: wachsen oder weichen und so. Man denke an den Vergrößerungszwang um weitermachen zu können, die immer größeren Verwaltungsaufgaben, die ganze Technik, die beherrscht werde will. Was sollen sie denn noch alles machen?
Nun ist aber leider über die Zeit der Kontakt zu den Verbrauchern völlig flöten gegangen. Und das ist verheerend. Denn der Verbraucher hat sich auch entwickelt – in merkwürdiger Weise. Während es in der Landwirtschaft immer weniger, dafür immer größere, hoch technisierte moderne Höfe gibt, hält Otto Normalverbraucher mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit am alten Bilderbuch-Bauernhof fest. Kleiner Familienbetrieb im Vollerwerb mit vielen verschiedenen Tieren, alle immer draußen, gut verdienend, total entspannt – Idylle pur. So muss es ja sein, schließlich sind die Kinderbücher voll davon, jede Wurstpackung zeigt es und die Milchtüte beweist es auch.
Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde, aber ich halte das WIRKLICH für eine beachtliche Leistung. Das muss man erst mal schaffen: so viel ausblenden, sich so weit von der Realität entfernen – faszinierend.
Naja, aber den Bauern war‘s recht. Kann ja nicht schaden, so ein hübsches Bildchen. Und das war der Fehler: Das hat so richtig reingehauen. Jetzt prallen Welten aufeinander.

Der normale Nicht-Bauer hat keine Ahnung, kann die Größenordnungen nicht einschätzen, versteht nix mehr.

Ist er natürlich auch selber schuld. Was interessiert er sich auch so wenig für Lebensmittel. Die sind doch wichtig – zum Leben eben – da kann man doch mal informiert sein. Aber Fehlanzeige: Wo das ganze Zeug her kommt, weiß keiner mehr, die Frikadelle hat schon lange nichts mehr mit dem Schwein zu tun und wo um Himmelswillen wird denn nun die H-Milch abgezapft?
So, und wie sollen diese beiden Gruppen nun zusammen kommen? Ein Riesenprojekt! Die Einen, die haben keine Ahnung von der Materie, haben dafür aber ziemlich viele Wünsche (vor allem, was den Preis angeht) und die Anderen haben keinen Plan, wie sie ihr Wissen und ihr Tun vermitteln sollen (und viele sehen es noch nicht mal als ihre Aufgabe).
ABER (Achtung, jetzt kommen endlich Landwirt Otti und Co ins Spiel). Es gibt Sie, die, die es angehen das Riesenprojekt.

Einige Landwirte haben die Dringlichkeit von Öffentlichkeitsarbeit für sich erkannt.

Sie suchen den Kontakt zum Verbraucher. Sie haben verstanden, dass sie etwas an ihrem Image tun müssen. Sie müssen ihre Geschichten selber erzählen (und es gibt so viele schöne Geschichten in der Landwirtschaft 🙂 ), wenn sie es nicht tun, dann übernehmen das Andere und dann wird es nicht schön. Sie zeigen ihre Höfe, öffnen die Ställe und werden nicht müde z.B. zu erklären, dass die Kühe erst Kälber bekommen müssen, sonst ist mit Milch nicht viel los.
Ich ziehe den Hut vor diesen Bauern, denn das ist mitunter echt anstrengend, kostet Zeit und gibt (zumindest direkt) kein Geld. Im Zweifel kostet es: Stall-Schaufenster bauen, Besucherraum einrichten, Info Flyer drucken etc.
Aber sie machen es und sie machen es gut. Sie erzählen ihre Geschichten. Diese sind nicht nur schön und witzig und unterhaltsam, sondern auch wichtig, um gigantische Wissenslücken zu stopfen, um die Fremdheit etwas abzubauen. Nur so kann man wieder Näher zusammen kommen.
Die Ideen der Landwirte sind so unterschiedlich, wie die Landwirte selbst, aber alle leisten ihren Dienst auf diesem (noch langen) Weg.

Hier einige Beispiele:

  • Landwirt Otti twittert über seine Arbeit. So stieß er mit Foodwatch zusammen und lud sie kurzerhand zu sich auf den Hof ein.
  • Der Almthof hat die Öffentlichkeitsarbeit gleich zu einem zweiten Standbein erklärt und melkt seitdem immer unter Beisein zahlreicher Besucher.
  • Nachdem Arnd von Hugo vor dem Bau seiner Hähnchenmastanlage so viel Gegenwind erfahren musste, baute er direkt ein Stall-Schaufenster ein. Jetzt erklärt er ein Mal in der Woche Gruppen, was es mit der Hähnchenmast so auf sich hat.
  • Mittlerweile haben viele Landwirte Facebook für sich entdeckt. Nicht nur die einzelnen Höfe sind dort zu finden, sondern auch informative Seiten bei denen sich viele Bauern zusammengeschlossen haben und Rede und Antwort stehen, z.B. Bauernwiki – frag doch mal den Landwirt
  • Unter My KuhTube drehen Milchbauern kleine Filme über ihre Arbeit.
  • Es gibt auch tolle kleine Ideen vor Ort. So hat z.B. ein Bauer verschiedene WhatsApp Gruppen für seine Felder. Bevor er Gülle ausfährt, informiert er die jeweiligen Anwohner. Das hilft, wenn man nicht mehr der blöde Typ sein will, der macht dass es im Haus stinkt. Fenster können vorher geschlossen werden und vielleicht erklärt er bei der Gelegenheit gleich mit, warum das Ganze nötig ist und gar nicht so schlimm.

Ich weiß, es gibt auch die Anderen. Die, die im Jammern verharren, den Verbraucher nicht verstehen und sich selbst unverstanden fühlen (und wahrscheinlich auch noch mit dem Trecker zu schnell durchs Dorf fahren). Aber es gibt eben auch Landwirt Otti und Co  🙂

 

Titelbild: Thomas Ostendorf
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Flüchtlinge

Landmenschen treffen auf Menschen aus anderem Land

Letzten Samstag fand in unserem Café eine wirklich schöne Veranstaltung statt. Die Menschen aus unserem Dorf wollten einen Nachmittag mit den hier untergebrachten Flüchtlingen verbringen. Schon zum zweiten Mal und nun bei uns. Da waren wir natürlich sofort dabei.

Kaffee, Kuchen, Kennenlernen

Das es Kaffee und Kuchen geben sollte war klar und kein Problem – das können wir. Aber wie kommt man ins Gespräch (und in welcher Sprache eigentlich?) und lernt sich kenne?

Gar nicht so einfach und doch die einzige Chance. Nur so können Vorurteile abgebaut und Stammtischparolen belanglos werden. Nur so können wir erfahren, welche Hilfe wirklich benötigt wird. Nur so können wir Konflikten vorbeugen, denn die werden kommen. Da mache ich mir ehrlich gesagt gar nichts vor. Schon jetzt sind in unserem Mini-Ort über 40 Flüchtlinge untergebracht. Alles Männer, vor allem aus Syrien und Eritrea. Es werden wöchentlich mehr. Wohnraum wird händeringend gesucht. Und sie werden lange bleiben, denn die Verfahren dauern. Die Möglichkeiten sich hier zu beschäftigen sind überschaubar und wer kein Fahrrad fahren kann, kommt nur so weit ihn seine Füße tragen. Aber sie beschweren sich nicht. Sie sagen, es ist ok. Wir sind in Sicherheit, das ist es was wir wollten. Auf den Rest warten wir eben.

Zurück zum Kennenlernen.
Was soll ich sagen. Es hat erstaunlich gut geklappt. Nachdem sich alle mit Kaffee und Kuchen gestärkt haben und dabei natürlich schon ins Gespräch kamen, hat der Diakon, der schon lange Jahre in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, ein wenig berichtet: Einige Zahlen und Daten, die die Flüchtlinge in der Gemeinde betreffen, darüber, wie die Hilfe anläuft und vor allem mit welchen Problemen die Flüchtlinge hier zu kämpfen haben. Das war wichtig. Denn wenn unsereins schon an der deutschen Bürokratie verzweifelt, dann ist das nichts im Gegensatz zu dem, was denen hier entgegen schlägt. Es braucht auch solche Informationen, um verstehen zu können, wie sich ihr Leben hier gestaltet. Anschließend hat Anas aus Syrien von seinem Fluchtweg erzählt. Er hatte sich dazu bereit erklärt auf Englisch zu sprechen. Das wurde dann übersetzt. Auch sehr spannend. Plötzlich gibt es ein Gesicht zu den Geschichten aus der Zeitung. Ein Einzelfall in der ganzen Flut (die natürlich nur aus Einzelfällen besteht). Die Empathie war groß. Schließlich ging es in den Garten zum Kennenlernspiel, drei-sprachig versteht sich + Hände und Füße. Hat auch ganz fantastisch geklappt und war ein großer Spaß.

Die Landmenschen wollen mehr davon. Mehr Treffen, mehr Kennenlernen und das muss auch sein, denn nur so geht’s.