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Geschichte

Au(g)enblick mal !

Von Müllern, Schiffern und Bauern

Neue Blogreihe „Au(g)enblick mal !“ über die Lippe und ihre Auen.

Eigentlich wollte ich EINEN Artikel über die Lippe samt Auen schreiben, daraus sind dann aber gleich mehrere geworden, denn wenn man mal kurz anhält und überlegt, dann ist hier ganz schön viel los. Man glaubt es kaum.

Heute gibt es einen Blick in die Geschichte des Flusses und das ist mit ordentlich Streit und vielen Bauarbeiten verbunden. Lest selbst …

Oder hört es euch an …

 

Man steigt nie zwei Mal in den gleichen Fluss – sagt man ja so. (Heraklit soll das ja ständig gesagt haben.) Alles ist im Wandel; der Fluss ist im Wandel; und unser Fluss – die Lippe – ist mal so richtig im Wandel, aber Hallo!

Sie entspringt am Südrand des Teutoburger Waldes und mündet bei Wesel in den Rhein. Das ist wohl schon recht lange so. Auf ihrem Weg von der Quelle bis zur Mündung hat sich jedoch einiges verändert und das hat vor allem mit den Menschen zu tun, die die Lippe für sich nutzen und zwar auf ganz unterschiedliche Weise.

Schon zu römischer Zeit diente der Fluss als Verkehrsweg und man transportierte auf der Lippe allerlei mit dem Schiffchen hin und her. Das ging aber nur so halb gut, denn bei Niedrigwasser unterbrachen Sandbänke die lustige Fahrt. Man hätte Abhilfe schaffen können durch bauliche Maßnahmen, aber dagegen hatten die Müller etwas einzuwenden. Und da diese „als alleinige Macht den Fluss beherrschten“ ging’s mit der Schifffahrt auf der Lippe Jahrhunderte lang nicht so richtig voran. Ich nehme an, Schiffer und Müller waren nicht die besten Freunde.

Mitten in diesen schönen Streit sprangen dann auch noch die Bauern, die wiederum ganz andere Interessen hatten. Ihnen gefiel z.B. gar nicht, dass die Müller den Fluss mit ihren Wehren so hoch aufstauten um die Wasserkraft zu nutzen. Dadurch versumpften nämlich die Flächen hinter der Mühle, also flussabwärts. Ärgerlich!

Irgendwann (1815) setzte sich die Schiffbarmachung der Lippe dann doch durch. Mit preußischer Genauigkeit passte man nicht mehr die Boote an den Fluss, sondern den Fluss an die Boote an.

Das heißt:

  • den Fluss kürzer, schmaler und tiefer machen,
  • Flussschlingen durchstechen,
  • Mergelbänke ausbrechen,
  • Totholz herausziehen,
  • Profil verengen
  • und dann nur noch an einer Uferseite alle Bäume und Büsche wegmachen, damit Pferde (oder auch Menschen) die Kähne auch flussaufwärts ziehen können.
  • Ach ja, und an den Mühlen brauchte es noch Schleusen um diese herum.

Als dann endlich alles geschafft war, waren die Landwirte ordentlich genervt und meinten: Jetzt reicht’s aber erst mal! Weitere Ausbaupläne lagen auf Eis.

Ein Frachtschift das lippeaufwärts getreidelt wird. Im Hintergrund: links Schloss Hovestadt, rechts Herzfeld mit der alten Kirche. (1835)

Ein Frachtschiff das lippeaufwärts getreidelt wird. Im Hintergrund: links Schloss Hovestadt, rechts Herzfeld mit der alten Kirche. (1835)

Und dann …

… ja und dann wollte plötzlich niemand mehr einen Kahn über die Lippe ziehen. Warum auch? Denn plötzlich war die Eisenbahn da. Für die Lippeschifffahrt interessierte sich niemand mehr.

Sehr zur Freude der Landwirte. Endlich kommen ihre Interessen zum Zuge. Tja, wer zuletzt lacht, könnte man meinen. Aber halt! Wir haben jetzt erst 1890, also weiter lesen …

Was haben die Landwirte gemacht?

  • Erst Mal den Abfluss verbessert – Wiesen trocken legen,
  • Lauf verkürzen – mehr Platz für die Landwirtschaft, weniger für den Fluss,
  • Wälle am Ufer – zum Schutz vor Hochwasser (im Sommer, da kann das nämlich keiner gebrauchen. Im Winter schon, da ist es guter Dünger.),
  • Uferbefestigung,
  • Uferbefestigung,
  • Uferbefestigung.

Ab 1970 waren die Lippewiesen, dann nicht mehr nur Grünland, sondern wurden sogar beackert. Weil der Fluss nun so schön gerade und starr war, ging die Ackerfurche bis direkt an das befestigte Ufer – kerzengerade.

Lippe

Kein gutes Bild, aber die Tendenz ist zu erkennen, oder? oben: vor 1825 unten: 1930

So, nun haben wir 1990. Das Lippeufer ist zwar grün, aber komplett befestigt. Wenn unsereins damals mit dem Kanu flussabwärts trieb – ja, rudern mussten wir nicht viel, die Strömung war schnell, denn der Fluss war tief und gerade, wegen letzterem mussten wir dann noch nicht einmal viel steuern – sahen wir nie an welchem Ort wir vorbei fuhren, denn die Böschung war so hoch. Wir fanden das alles immer ganz natürlich, ohne zu wissen, dass es das gar nicht war.

Die Lippe hatte in den letzten 100 Jahren durch Menschenhand 15-20% ihrer Länge verloren und war bis zu 3m tiefer geworden.

Und beim nächsten Mal geht es dann mit einer Rolle Rückwärts weiter bis zur Gegenwart. Freu dich drauf 😉

 

Wer jetzt schon mehr wissen will, klickt hier oder hier.

 

(Die Bilder sind aus Naturerlebnis Auenland und Lippeaue. Eine Flusslandschaft im Wandel abfotografiert. Das Titelbild hat Eugen Teigeler gemacht. Es ist zwar noch nicht so alt, verdeutlicht aber wie der Blick aus dem Kanu 1990 überall war.)