Tiere füttern, Tiere schlachten, Tiere essen
Bei der Martinsgans ist es wieder passiert. Ich sage „Es gibt Gans mit Rotkohl und Klößen. Fleisch und Gemüse kommen aus unserem Garten.“ Sie „Ihh, ihr esst eure Tiere?“
Mittlerweile habe ich schon über fast alle unsere Hoftiere ein Geschichtchen geschrieben. Über die Rinder, Hühner, Enten, Gänse und sogar die Pfauen.
Da wir jedoch weder einen Gnadenhof, noch einen Streichelzoo betreiben, halten wir die meisten Tiere um sie zu essen. Wir essen natürlich nicht alles selber, aber wir essen sie eben auch. Das finden manche Menschen komisch.
Und warum mich diese Einstellung wirklich nervt, darum geht’s jetzt:
Ich habe lange versucht Verständnis aufzubringen. Schließlich macht jeder unterschiedliche Erfahrungen in seinem Leben und in meiner Kindheit war es eben selbstverständlich, dass es Tiere gibt, die nur Leben, damit wir sie irgendwann essen können. Diesen Tieren bin ich oft begegnet. Als Tierarzt-Tochter war das Alltag. Ich war auch häufig mit im Schlachthof, habe bei Fleischbeschauen zugeschaut oder bei Schlachtungen. Auf Fragen wie „Warum muss das Tier sterben?“ wurde geantwortet „Weil es eben nicht von alleine in den Supermarkt läuft.“ So war das bei uns. Wer Fleisch essen wollte muss ertragen, dass Tiere dafür geschlachtet werden.
Heute verstehe ich jeden Menschen, der genau deswegen kein Fleisch ist. Wer den Gedanken nicht ertragen kann, dass ein Tier nur für den eigenen Genuss stirbt, der sollte kein Fleisch essen.
Nicht verstehen kann ich die, die Tiere-töten irgendwie ekelig finden, trotzdem aber in rauen Mengen Fleisch konsumieren. Genauer gesagt hänge ich da irgendwo zwischen Bewunderung und Irritation.
Ich weiß, dass es einfacher ist, den Grund für die Haltung der Tiere und ihr Sterben auszublenden, wenn man gar keinen Kontakt zu ihnen hat. Kühe nehmen wir hierzulande bestenfalls im Vorbeifahren aus dem Auto wahr. Aber wer bekommt heute noch ein Schwein zu Gesicht (lebend) und das obwohl Deutschland neben China und den USA zu den größten Schweineproduzenten weltweit gehört. Nicht sehen legitimiert aber nicht total-dumm-stellen. Wir wissen alle, wie Schweine gehalten werden und wo sie sterben. Trotzdem spukt in puncto Landwirtschaft in den meisten Köpfen irgendetwas zwischen Bilderbuchbauernhof, Lebensmittelskandal und Bauer-sucht-Frau. Die Entfremdung könnte größer nicht sein. Und so haben es viele geschafft, das Produkt was sie im Supermarkt kaufen völlig von einem Tier abzukoppeln. Das Schnitzel hat nichts mehr mit dem Schwein zu tun. Die Frikadelle sowieso nicht (wer weiß, was da wieder drin ist – aber bestenfalls eben ein Tier).
Und irgendwie bewundere ich das auch. Das ist eine beachtliche Leistung. Das muss man erst mal schaffen.
Jedoch ist das, was sich viele Erwachsene mühsam antrainiert haben, für genau so viele Kinder Realität. Es herrscht eh schon größte Verwirrung, wenn man sie darauf hinweist, dass die Zutaten für den Hamburger vom Bauernhof kommen, aber das die Chicken McNuggets aus Huhn bestehen sollen, ist für so manchen echt der Gipfel. Ich habe das erlebt mit Kindern. Sie fanden das nicht eckelig, komisch oder lustig. Nein, sie haben es mir einfach nicht geglaubt.
Für mich ist das, gelinde gesagt, eine Katastrophe. Wie sollen wir unseren Kindern einen respektvollen Umgang mit Tieren beibringen, wenn wir solche gigantischen Tatsachen (denn es geht ja um viele Hühner, wir essen schließlich viele Chicken McNuggets) ausblenden? Was tun wir unseren Kindern damit an? Und was tun wir der Welt an, wenn wir ihr solche Kinder hinterlassen?
Unsere Tochter füttert das ganze Jahr sehr fleißig unsere Enten. Sie treibt sie von links nach rechts und abends in den Stall. Irgendwann vor Weihnachten werden sie dann eingefangen und zum Schlachter gebracht. Ich wurde schon öfters gefragt, was ich ihr denn dann erzähle. Mal ganz davon abgesehen, dass mir keine gute Ausrede einfällt (alle in den Urlaub geflogen?), wäre es eine krasse Lüge. Und warum? Wenn sie später ein Stück Ente auf dem Teller hat, dann sagen wir ihr, dass das unsere Ente ist und „Gut, dass du dich so toll um sie gekümmert hast.“
Das ist natürlich nicht jedem möglich, aber darauf hinweisen, dass das Stück Fleisch mal ein lebendes Tier war, wäre schon drin – finde ich!